Google formuliert mit Inbox den Anspruch, Nutzern die Verwaltung ihrer E-Mails zu erleichtern und ihnen dabei zu helfen, sich in der “E-Mail Flut” besser zurecht zufinden. Bereits im vorigen Jahr hatte Google dafür die sog. Tabs für den Gmail Posteingang eingeführt. Inbox verfügt über vergleichbare Features: “Labels” und “Bundles”. Labels beschreiben die inhaltliche Ausrichtung oder den Zweck einer E-Mail und werden in der Vorschau angezeigt. Ein Marketing Newsletter würde z.B. automatisch das Label “Promo” erhalten, eine Systemmail aus einem sozialen Netzwerk das Label “Social”. So kann der Nutzer sofort erkennen, um welche Art von E-Mail es sich handelt. Einige Labels sind bereits voreingestellt, neben den zwei bereits erwähnten etwa “Finance” für z.B. Rechnungen oder “Travel” für z.B. Hotelbuchungen oder Flugunterlagen. Nutzer können jedoch auch selbst Labels anlegen und durch eigene Regeln bestimmen, unter welche Voraussetzungen E-Mails ein bestimmtes Label erhalten sollen. Bundles wiederum ermöglichen es, E-Mails mit bestimmten Labels zu gruppieren. Sie werden an den ersten Stellen des Posteingangs angezeigt. Die in einem Bundle enthaltenen Mails erscheinen erst nach einem Klick auf das Bundle. Bundles sind nicht obligatorisch, sondern können auch ausgeschaltet oder nur für ausgewählte Labels verwendet werden.
Bundles (sofern aktiviert) führen dazu, dass kommerzielle E-Mails nicht mehr direkt in der Hauptansicht des Posteingangs angezeigt, sondern vom Nutzer aktiv angesteuert werden müssen. Dadurch besteht die Gefahr, dass der Nutzer solche E-Mails weniger beachtet, da er möglicherweise Bundles mit privaten Nachrichten eine höhere Priorität einräumt. Darunter könnten insbesondere zeitkritische E-Mails leiden, beispielsweise Newsletter mit zeitlich begrenzten Sonderangeboten oder Transaktionsmails mit Cross- und Up-Sells. Im Vergleich zu den Tabs der regulären Gmail Clients werden die Bundles bei Inbox jedoch im Posteingang angezeigt und das sogar an erster Stelle, noch vor “Bundle-freien” E-Mails. Sie sind dem Nutzer damit zumindest sofort präsent. Ausserdem: Bei aller Aufregung um möglicherweise geringere Sichtbarkeit sollte eins immer bedacht werden: E-Mail Marketing ist Permission Marketing. Der Nutzer hat die erhaltenen E-Mails entweder bewusst durch sein Opt-In angefordert bzw. bei Transaktionsnachrichten erwartet er sie. Er hat also in jedem Fall Interesse an den E-Mails und wird sie auch dann weiter lesen, wenn sie ihm erst nach einem weiteren Klick angezeigt werden. Hinzu kommt: der Aufruf beispielsweise des “Promo” Bundles ist eine bewusste Entscheidung. Wenn der Nutzer auf das Bundle klickt, hat er in jedem Fall aktives Interesse an den dort abgelegten E-Mails bzw. ihren Inhalten. Die Gefahr, dass eine E-Mail den Nutzer zum falschen Zeitpunkt erreicht und sofort gelöscht wird, entfällt.
Wichtige Inhalte auf einen Blick
Eine weitere Besonderheit von Inbox sind die sog. Highlights. Inbox zeigt die relevantesten Inhalte einer E-Mail bereits im Posteingang an, direkt unter Absender und Betreffzeile. Diese Inhalte können z.B. Grafiken sein oder transaktionsbezogene Informationen wie Flugzeiten, Buchungsbestätigungen usw. Für Marketing E-Mails ergibt sich durch diese Funktion eine effektive Möglichkeit, um den Nutzer bereits im Posteingang stärker zu aktivieren, als es über Betreffzeile und, je nach Client, Pre-Header möglich ist. Der Call-to-Action zu einem Produkt im Betreff kann noch so gut formuliert sein, ein Bild des Produktes ist meistens aufmerksamkeitsstärker. Für Transaktionsmails könnten die Highlights jedoch zu einem Problem werden. Um das Potenzial von Transaktionsmails voll zu nutzen, sollten diese z.B. durch Cross- oder Upsells ergänzt werden. Wenn dem Nutzer jedoch die relevantesten Informationen einer Transaktionsmail bereits im Posteingang gezeigt werden, wird er die E-Mail möglicherweise erst gar nicht mehr öffnen. Dies führt dazu, dass er auch Cross- und Upsells oder sonstige weiterführende Informationen nicht mehr wahrnimmt.
To-Dos über Posteingang abbilden
Die Inbox Funktion “Reminders” ermöglicht es Nutzern, terminierte To-Do Listen im Posteingang anzulegen und diese mit E-Mails zu verknüpfen. So können sich Nutzer beispielsweise daran erinnern lassen, ein bestimmtes Produkt aus einem Newsletter zu kaufen oder eine Bestellung, zu der sie einen Abholbestätigung erhalten haben, auch wirklich abzuholen. Eine weitere Funktion ist “Snooze”. Snooze ermöglicht es, E-Mails temporär “schlafen zu legen” und sie sich zu einem selbstgewählten Zeitpunkt noch einmal anzeigen zu lassen. Aus E-Mail Marketing Sicht sind beides nützliche Funktionen, um Nutzer, die sich zwar für eine E-Mail interessieren, aber zunächst keine Zeit haben, sich mit ihr zu beschäftigen, zu einem passenderen Zeitpunkt noch einmal zu aktivieren. Besonders spannend ist diese Funktion für Nutzer, die E-Mails auf ihrem Smartphone vorsortieren, um sie später auf ihrem Desktop PC noch einmal “in Ruhe” zu lesen.
Fazit
Welche Auswirkungen Gmail Inbox wirklich auf das E-Mail Marketing hat, wird sich erst mit der Zeit zeigen, wenn die App ausreichend Nutzer gefunden hat. Ob die Spekulationen zutreffen, dass die Funktionen von Inbox irgendwann Standard für die Gmail Nutzung werden bzw. Inbox die regulären Gmail Clients ersetzen wird, ist ebenfalls noch nicht abzusehen. Bei positivem Nutzerzuspruch könnte es auch durchaus passieren, dass andere Client-Anbieter in Zukunft vergleichbare Funktionen anbieten. E-Mail Marketer sollten sich auf dieses Szenario zumindest konzeptionell einstellen. Die konkreten Funktionen von Inbox könnten sehr unterschiedliche Auswirkungen aus die Effektivität von E-Mail Marketing Maßnahmen haben. “Reminders” und “Snooze” dürften sich in jedem Fall positiv auswirken. “Highlights” eröffnet neue Chancen für Marketing E-Mails, könnte jedoch die Öffnungsraten von Service- und Transaktionsmails beeinträchtigen. “Labels” und “Bundles” könnten sowohl Vor- als auch Nachteile bringen, unterscheiden sich allerdings auch nicht wesentlich von der “Tabs” Funktion, die bei Gmail schon seit Ende 2013 Standard ist.